Wer sich in die spirituelle Literatur früherer Epochen vertieft, stößt immer wieder auf bestimmte Merkmale. Ihre Verfasser gebrauchen bisweilen eine derbe Sprache, sie bringen etwas zu oft den Teufel ins Spiel, aber sie durchschauen jeden frommen Schein. Gebündelt findet man das in folgendem Zitat aus der „Wolke des Nichtwissens“, einer anonymen Schrift vom Ende des 14. Jahrhunderts. Man könnte es freundlicher schreiben. Man müsste es nicht dem Teufel zuschreiben. Aber man könnte es kaum treffender beschreiben:

Der Teufel täuscht andere Menschen auf folgende Art. Auf bemerkenswerte Weise entflammt er ihre Gehirne für die Aufrechterhaltung des Gesetzes Gottes und die Vernichtung der Sünde in allen anderen Menschen. Er verführt sie nie mit etwas, das offen böse ist. Er lässt sie sich verhalten wie emsige Prälaten, die über die verschiedenen Lebenszustände der Christenmenschen wachen, oder wie ein Abt über seine Mönche. Sie tadeln alle Menschen wegen ihrer Fehler, als ob sie die Seelsorge über ihre Seelen hätten. In der Tat meinen sie, dass sie vor Gott nicht anders zu handeln wagen. Was sie also an den Menschen für Fehler sehen, das sagen sie ihnen und meinen, das Feuer der Nächstenliebe und der Liebe Gottes, das in ihren Herzen brennt, bewege sie dazu; aber sie sind Lügner, denn es ist eher das Feuer der Hölle, das in ihrem Hirn und in ihrer Einbildung aufwallt.

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