Ich bin ein bekennender Right Brainer, also ein „Rechtshirniger“. Ich bin zu Hause in der Welt der Bilder und Geschichten, mein Kopf braucht die Anschaulichkeit. Texte, die aus lauter Gedanken bestehen, sprechen mich selten an, vor abstrakten Sätzen kapituliere ich oft. Ich schreibe das zunächst für euch, denen es ähnlich geht. Ihr fühlt euch unterlegen, wenn andere mit gescheiten Sätzen jonglieren, die für euch zu hoch sind. Aber wir Rechtshirnigen sind nicht dumm. Wir denken nur anders als andere Denker.
Gott liebt uns Rechtshirnige. Er hat sich so offenbart, dass wir etwas damit anfangen können. Das beginnt schon in der Schöpfung. Das erste, was Gott uns von sich gab, war keine Lehre, sondern ein Bild. Dieses Bild sind wir selbst: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild“ (1. Mose 1,27). Mit unserer Erschaffung hat Gott gleichzeitig das Anschauungsmaterial erschaffen, durch das er uns zeigt, wie er ist. Wir Menschen sehen und hören, wir arbeiten und ruhen, wir denken und fühlen. Nur deshalb können wir uns etwas darunter vorstellen, wenn Gott sagt, dass er uns sieht und hört, dass er etwas schafft und dann ruht und sich über sein Werk freut, dass er Gedanken über uns und Gefühle für uns hat.
Am deutlichsten wird das in der höchsten Offenbarung Gottes, der Menschwerdung Jesu. „Das Wort wurde Fleisch und wir SAHEN seine Herrlichkeit“ (Johannes 1,14), sie wurde uns nicht nur mitgeteilt. Jesus von Nazareth gebrauchte Bilder, erzählte Geschichten, und über ihn wurden und werden Geschichten erzählt. So lernen wir Gott kennen.
Dann wurde die Offenbarung für linkshirnige Menschen weiterentwickelt. Aus Bildern und Geschichten wurden Lehrsätze abgeleitet, die zu theologischen Systemen wuchsen. In ihnen wird über Gott auf eine ganz andere Art geredet:
„Also ist offenbar, daß der Geist Form und Sein ist und dass er das Sein von einem ersten Seienden hat, das nur Sein ist, und dies ist die erste Ursache, die Gott ist … Es gibt nämlich etwas wie Gott, dessen Wesen sein Sein selbst ist … Dieses Sein nämlich, das Gott ist, ist von einer derartigen Beschaffenheit, daß zu ihm keine Hinzufügung gemacht werden kann, weshalb es durch eben seine Reinheit ein von jedem Sein unterschiedenes Sein ist …“ (Thomas von Aquin: Das Seiende und das Wesen).
Ich gestehe, dass ich von diesen Sätzen keinen einzigen verstehe. Ich sage deshalb nicht, dass sie falsch sind, dass sie keine Berechtigung haben, dass sie für andere nicht von großer Bedeutung sein und sie sogar zur Anbetung bringen können. Mir selbst ist das allerdings nicht gegeben. Deshalb ziehe ich meine Schuhe wieder an und verlasse, was für andere heiliger Boden sein mag.
Der Grund für meinen Rückzug liegt vermutlich in meiner Gehirnstruktur. Ich denke konkret, nicht abstrakt. Der Teil meines Gehirns, in dem Begriffe wie „das Sein selbst“ verarbeitet werden, liegt brach. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass jeder Käfer in unserem Garten und jeder Stern an unserem Abendhimmel ein Sein hat. Das reicht mir aus, um über Gott den Schöpfer zu staunen und ihn anzubeten. Denn Gott hat nicht nur uns Menschen, sondern auch Käfer und Sterne geschaffen, um uns etwas von sich zu zeigen.