In den letzten Folgen habe ich am Fallbeipiel der Apostelin Junia (Röm 16,7) einige typische Schwachpunkte der Bibelauslegung aufgezeigt. In dieser Folge setze ich das fort. Dabei weitet sich der Horizont von Junia zu anderen Frauen des Neuen Testaments. Es geht um folgende Fragen: (1) Paulus spricht in der Grußliste von Römer 16 von allen Frauen nur Junia den Titel „Apostel“ zu. Was hat Junia, was die anderen nicht haben? (2) Gibt es noch andere Apostelinnen? (3) Können wir einige von ihnen identifizieren? (4) Was macht ihren Apostelstatus aus? Woran erkennen wir, dass eine Frau Apostelin ist? Und schließlich: (5) Wenn Junia unter den Aposteln berühmt ist, warum erfahren wir im NT nicht mehr über sie? Oder vielleicht doch? Während ich diese Fragen beantworte, illustriere ich einen weiteren häufigen Auslegungsfehler: die „selektive Wahrnehmung“. Sie besteht darin, dass man Aussagen in der Bibel einfach nicht wahrnimmt, die nicht den eigenen Erwartungen entsprechen, obwohl sie klar vor Augen stehen.
Fragen zum Nachdenken oder für ein Gespräch:
- Fallen dir Aussagen in der Bibel ein, die du lange Zeit übersehen hast, bis sie dir eines Tages ins Auge gesprungen sind und du dich gewundert hast, dass du das vorher nie gesehen hast?
- Benutzt du Hilfsmittel, um in der Bibel Dinge zu entdecken, die dir von alleine nicht auffallen würden? Welche?
Zitierte Literatur:
- Daniel J. Simons & Christopher F. Chabris: Gorillas in Our Midst. Sustained Inattentional Blindness for Dynamic Events. In: Perception, 1999, Jg. 28, H. 9, S. 1059–1074
- Das Video dazu: Selective Attention Test. 1999
- Ben Witherington: On the Road with Mary Magdalene, Joanna, Susanna, and Other Disciples – Luke 8 1-3. In: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft, 1979, Jg. 70, H. 3, S. 243-248
- Heinz Schürmann: Das Lukasevangelium. Band 1. In: Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament. 1984 Herder Verlag
- William Barclay: The Gospel of Luke. 2001 Westminster John Knox Press